Das Wohnen in der Politik

Kolumne

Wenn man mit mancherlei Verwunderung, durchaus mit Interesse und bisweilen auch mit Überzeugungen über alltägliche Themen spricht, so merkt man schnell: Die Dinge wirken seltsam abgedroschen. Sie sind entweder viel zu weit gefasst, wie unser Reden über Arbeit, das keine Grenzen mehr zu kennen scheint oder sie sind viel zu eng und darüber hinaus gefüllt mit lauten Werbeprodukten aus Sonderangeboten. So ist es mit dem Wohnen. Wohnen wird verengt auf die Wohnung, das Wohnzimmer, auf Raufasertapete und Staub hinter dem Sofa. Aber Wohnen ist größer als die eigenen vier Wände. Und auch wenn es zuweilen schön ist, die Tür hinter mir zufallen zu lassen, so bin ich doch ein Bürger dieser Stadt, ich wohne hier und das heißt, ich will, dass ich mich mit diesem Ort identifizieren kann, mich darin wohl, sicher und zu Hause fühle. Ich wohne in einem geordneten Gemeinwesen und weil die Ordnung des Gemeinwesens geradezu der Inbegriff von Politik ist, kann ich sagen: Ich wohne in der Politik. Wir wohnen in der Politik und das heißt eben auch, dass ich mit Menschen zusammenlebe, mit denen ich meine eigenen vier Wände nicht unbedingt teilen würde. Was hier entsteht, in diesem Sich-Aussetzen mit anderen, im gemeinsamen Wohnen in einer Stadt und deshalb auch im gemeinsamen Aushalten und Austarieren von Interessen, ist Öffentlichkeit, der eigentliche Wert alles Politischen. Dieser Wert wird immer wieder manifest, wird greifbar, an Orten, die uns gemeinsam sind: da ist eine Schule an einer Hauptstraße und die Klage um die Verkehrssicherheit der Kinder; da ist eine Brücke, baufällig, seit langem gesperrt und der Wunsch, sie möge wieder verbinden und Wege verkürzen; da sind Leerstände und die Sorge um die Zukunft unserer Innenstädte. Die Schule, die Treppe, die Innenstädte, das sind Gemeinorte. Nicht alle teilen die Klagen, die Wünsche und die Sorgen, manche sind nicht betroffen, manche nicht interessiert und viele wissen, sei es aus fehlender Betroffenheit oder aus mangelndem Interesse, schlichtweg zu wenig über die konkreten Orte. Aber wenn wir darüber sprechen, wenn wir die Begriffe des Alltags und seiner kommunalpolitischen Bewältigung wieder schärfen, können wir die Öffentlichkeit herstellen, die für ein gemeinsamen Wohnen unabdingbar ist.

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