Schöne, neue Arbeitswelt

Pierre Smolarski

Kolumne

Natürlich träumen wir von positiven Veränderungen des gesellschaftlichen Lebens. Die viel beschworene Transformation, sei sie nun erhofft oder befürchtet, ist dabei umso grundlegender je mehr sie an die Wurzeln unseres gesellschaftlichen Selbstverständnisses greift. Und kaum etwas greift hier deutlicher an, als die Transformation der Arbeitswelt und der damit zusammenhängenden Transformation des Wirtschaftens. Arbeit, das war für die antiken Griechen Last, Mühsal und Leiden, mit Freiheit nicht vereinbar und deshalb eine Sache, die einem freien Mann und Bürger nicht zuzumuten war. Gearbeitet haben Frauen und Sklaven, der freie Bürger machte Politik, führte Kriege oder philosophierte über das Leben. Die Sorge aber für das Lebensnotwendige, die mussten andere übernehmen. Die vollkommen verrückte Idee, man könne sich über Arbeit selbst verwirklichen, erschien der Antike absurd. Diese Idee mit all ihren befreienden Momenten wie auch mit ihrem ‚Schein der Freiheit', der oft genug Anlass zur Selbstausbeutung und einem Verkauf der Innerlichkeit wurde und zunehmend wird, ist heute aber ein tragendes Motiv. Wir leben in einer Arbeitsgesellschaft und wenn man diesen Gedanken einmal unverblümt ausbuchstabiert, heißt das: Jede und Jeder hat seinen gesellschaftlichen Wert jederzeit über ihre oder seine geleistete Arbeit zu beweisen. Wer nicht arbeitet, ist nicht und hat nicht zu sein. Der Grund, warum es oft emotionalere Debatten über Arbeit gibt, als über Liebe oder Sex, ist schlichtweg, dass mit der Frage nach der Arbeit im Grunde die Frage nach der eigenen Existenzberechtigung gestellt ist. Wir brauchen uns nur den Umgang mit Arbeitslosen anzusehen und das schamhafte Sich-Verstecken selbst unter Freunden, wenn diese vermeintliche Schuld einen trifft. Eine Arbeitsgesellschaft ist eine Gesellschaft, in der nach einer Studie Wilhelm Heitmeyers etwa 40 Prozent der Ansicht sind, dass zu viel Rücksicht auf ‚Versager' genommen werde und dass übertriebene Nachsicht mit solchen Personen unangebracht sei. Die schöne, neue Welt der Transformation der Arbeit kann, wenn man sie nur durch die selbstvergessene Brille derer sieht, die sich Selbstverwirklichung leisten können, schnell dystopische Züge annehmen. Ob es hierbei reichen wird, die Frage des Geldes und des notwenigen Gelderwerbs in den Mittelpunkt zu rücken, wird sich zeigen. Woran es aber oft genug fehlt, sind Visionen und Selbstexperimente, die die Kraft haben, ein Beispiel zu geben; ein Beispiel, dass unserem Träumen von der positiven Veränderung des gesellschaftlichen Lebens eine Richtung und zugleich Boden unter den Füßen zu geben vermag.

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