Das Wagnis der Öffentlichkeit
Pierre Smolarski
Kolumne
Die politische Kraft eines Gemeinwesens zeigt sich in der Krise. Dann nämlich, wenn es Kraft braucht im Sinne der Gemeinschaft, der Solidarität der Mitglieder und des Gemeinwohls eine Entscheidung zu treffen, die die freie Selbstentfaltung jedes Einzelnen einschränkt. Wir wollten drei Wochen im Schauspielhaus über kommunalpolitische Themen sprechen, an einem Tisch und in einer fiktiven Wuppertal-Wohngemeinschaft Menschen zusammenbringen und sie Teil haben lassen an der Präsentation und Repräsentation ihres Stadtbezirks. Doch wie in der Politik zählt der Konjunktiv wenig, insbesondere wenn er irreal ist, und wie in der Geschichte, wird nicht die Geschichte der Absichten erzählt, sondern der Werke und der Taten. Nach etwas über einer Woche beenden wir nun das Projekt ‚Wohnen in der Politik', wir beugen uns damit der Notwendigkeit, deren Beugungskraft stets stärker ist als die der Freiheit, des Willens und der gutgemeinten Absicht.
Der Begriff des Wohnens, den wir in unserem Projekt gebrauchten, und der weiter reicht als die engen Grenzen der eigenen vier Wände, schien manchem wunderlich, vielleicht sogar lächerlich, ist doch das Wohnen eine Privatsache, zu Hause im eigenen Reich, ohne Öffentlichkeit und vor jeder Politik geschützt. Wenn die Krise uns aber dann doch in dieses Reich verbannt, dann merkt man schnell wie klein dieses Reich ist, wie Wohn- und Lebensqualität darunter leidet, wie sehr wir auch zu einem guten Teil in und mit der Öffentlichkeit wohnen. Zwar bleibt das digitale Tor zur Welt offen und natürlich hätten auch wir über dieses Tor weitermachen können. Aber das digitale Tor hat keine Schwelle, deren Übertritt eine reale Begegnung ermöglicht; es ist eher ein Fenster, von dem aus wir bedeutungsvoll auf einen leeren Platz hätten winken können. Und weil niemand vorher weiß, wer diese Schwelle übertritt, welche Ansichten und Meinungen vertreten werden und wieviel Pluralität eine Gemeinschaft verträgt, so braucht es oft Mut, das ‚Wagnis der Öffentlichkeit', von dem schon Hannah Arendt und vor ihr bereits Karl Jaspers sprach, einzugehen.
Für diesen Mut danken wir den Besuchern und Besucherinnen, den Mitdiskutanten und Partizipantinnen und insbesondere den Bezirksbürgermeistern und -bürgermeisterinnen, die sich hier auf die eine oder andere Weise eingebracht haben.
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