Demokratie als Prozess
Iris Ebert
Kolumne
Die Demokratiewerkstatt kommt in die ‚Wohnen in der Politik'-Wohngemeinschaft:
Demokratie, dieses mit Blick auf die Menschheitsgeschichte noch recht junge Konzept, erleben Menschen im Alltag als selbstverständlich, gleichzeitig wirkt sie oft weit weg und als eine Sache von Politikern. Werkstatt hingegen ruft Bilder des eigenen Werkelns, Anpackens und Gestaltens wach. Zusammengenommen erinnern diese beiden Worte jedoch daran, dass Demokratie ein ständiger Prozess des Anpackens und der Mitgestaltung ist. Sie ist eben nicht gegeben, sie ist eben nicht nur in der Hand anderer und es ist auch nicht möglich, eine perfekte Demokratie zu erschaffen und somit jemals "fertig" zu sein.
Folgt man dem Gedanken der niemals „fertigen" Demokratie und des eigenen Mitgestaltens, werden immer neue Meinungen und Wünsche der Beteiligung aufkommen. Um angesichts dieser Vielfalt an Menschen, Werten und Meinungen handlungsfähig zu werden, müssen allerdings irgendwann Entscheidungen getroffen und Ansichten ausgeblendet werden – am Ende eines solchen Prozesses steht oftmals das eine „öffentliches Interesse", das von den bestehenden politischen Institutionen beschlossen und umgesetzt wird.
Bei all dieser Ergebnisorientierung gilt es jedoch, die Prozessebene nicht aus den Augen zu verlieren. Denn ein einzelnes öffentliches Interesse ist zwar leichter umsetzbar, spiegelt aber nicht die Meinung aller wider. In demokratischen Beteiligungs- und Teilhabemöglichkeiten ist es daher zentral, die Pluralität der bestehenden Meinungen lange offen zu halten. Dies ist oftmals aufwändig und nicht selten Anlass zu Unmutsäußerungen bei den Beteiligten. Genau in diesem mühsamen Prozess der Verständigung, des Streitens und Aushandelns von Ansichten liegt jedoch ein Wesenskern von Demokratie. Vielfältige Formen des Austausches und deren Ermöglichung sind daher neben den Wahlen oder anderer Verfahren wie Bürgerbefragungen ein zentraler Bestandteil moderner Demokratien.
Zudem kann und muss nicht jedes öffentliche Interesse von den bestehenden politischen Institutionen und der Exekutive umgesetzt werden. Dezentrale Beteiligungsformate bieten hier die Möglichkeit, in kleinem Rahmen Interessen zu bündeln und kollektiv anzupacken – ganz im Sinne des Werkstattgedankens. Dadurch bleibt Demokratie dauerhaft erfahrbar und im Alltag der Menschen verankert.